Bei einer Kollision mit einem motorisierten Fahrzeug sind es meist Fußgänger und Radfahrer die sprichwörtlich „unter die Räder“ kommen. Mehr als 90% dieser Verkehrsunfälle werden durch menschliches Versagen verursacht, oft mit fatalen Folgen. Das Unternehmen 4activeSystems GmbH, dass sich 2014 aus der 4a-Gruppe heraus entwickelte, arbeitet im Bereich der aktiven Fahrzeugsicherheit. Seitdem werden am Standort in Traboch (Steiermark) sowohl mobile als auch stationäre AEB-Prüfgeräte (= Autonomous Emergency Breaking) für den Außenbereich sowie Dummies entwickelt und gefertigt, mit denen vorausschauende Fahrzeugsicherheitssysteme getestet werden. Von Anfang an kommen dafür Komponenten des Automatisierungsspezialisten B&R zum Einsatz.
Das erste Projekt ist Martin Fritz, Geschäftsführer von 4activeSystems, noch gut im Gedächtnis: „Die erste Anlage entwickelten wir für den Automobilhersteller Audi. Ziel war es, eine komplexe, aus Faserverbundwerkstoff bestehende Testanlage zu entwickeln und zu bauen.“ Bei diesem Projekt wurde ein Dummy über die Straße geschickt und 50 ms vor der Kollision mit dem Fahrzeug mit sehr hoher Beschleunigung nach oben gezogen. Um dies zu bewerkstelligen, wurden Bungeeseile eingesetzt. „B&R hatte damals das einzige Antriebs- und Steuerungssystem auf dem Markt, das sich dafür eignete“, sagt Fritz. „Mit diesem Projekt haben wir das Vertrauen zu B&R gewonnen. Wir wussten, dass das sicher und gut funktioniert.“
Perfekte Simulation von Anfang an
Dieses Projekt bot einige Herausforderungen. So musste nicht nur der Dummy so menschenähnlich wie möglich gestaltet werden, sondern auch das technische Umfeld durfte keines der Sensorsysteme der Autos aktivieren. Der Vorteil dabei lag auf der Hand: Wenn auf diese Weise weder das Auto noch der Dummy beschädigt werden, können diese öfters eingesetzt werden – ein nicht unerhebliches Kriterium, nachdem ein Dummy bis zu 15.000 Euro kostet. „Wir brauchten eine Lösung, die weder von Radar-Systemen, noch über Infrarot oder Wärmescan wahrnehmbar war,“ sagt Fritz. „Diese Anlage, die eigentlich nur als Prototyp für ein bis zwei Jahre gedacht war, ist nach elf Jahren nach wie vor bei Audi im Einsatz.“
Neben Dummies, die aussehen wie Fußgänger, werden bei 4activeSystems auch zweirädrige und vierrädrige Dummies, wie Fahrräder, Motorräder und Autos, gefertigt und zu Testzwecken eingesetzt. Das Unternehmen ist der weltweit einzige zertifizierte Dummy-Hersteller – was die selbstfahrenden Plattformen betrifft, befindet sich der überschaubare Mitbewerb in den USA, UK und Österreich.
3D-Auto-Dummies für den aktiven Schutz von Verkehrsteilnehmern
Die Sicherheitsrichtlinien bei Automobilherstellern sind äußerst streng. Bereits seit Jahren ist es nicht mehr ausreichend, nur die Fahrzeuginsassen bei einem Unfall zu schützen. Vielmehr sollen beim Zusammenprall mit einem Fahrzeug ebenso die anderen Verkehrsteilnehmer, wie Fußgänger, bestmöglich vor Verletzungen geschützt werden. Dazu braucht es autonome Bremssysteme, die Menschen selbstständig erkennen, rechtzeitig bremsen und so eine Kollision bestenfalls verhindern. Hierzu gibt es verschiedene Testszenarien, die sich aus Unfallstatistiken ableiten. Dazu zählen etwa Kinder und Erwachsene, die zum Beispiel hinter einem geparkten Fahrzeug auf die Straße treten. Das autonome Notfall- Bremssystem eines Autos muss deshalb mit Hilfe von Kameras die Situation sofort richtig erkennen und einstufen können.
Um dies zu testen, entwickelte 4activeSystems den 3D-Auto-Dummy 4activeC2, ein realistisches 3D-Automodell, das bis zu 85 km/h beschleunigt werden kann und einen Aufprall bis zu 65 km/h völlig unbeschadet übersteht. Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung der 3D-Auto-Dummies war die Benutzerfreundlichkeit und eine kurze Reassemblierungszeit nach dem Aufprall. Während der Dummy 4activeC2 auf der beweglichen Plattform fährt, bleibt er stabil in Form. Im Falle eines Unfalls verliert das 3D-Dummy-Auto zwar seine stabile Form, kann aber mittels Reißverschlüssen in nur zwei Minuten von zwei Personen wieder zusammengebaut werden.
Die nächste Generation: Die GNSS-kontrollierte selbstfahrende Plattform 4active FB
Während das Dummy-Objekt – etwa ein 3D-Auto-Dummy oder ein Radfahrer – realistisch reagieren soll, muss das Gerät, das dieses Dummy-Objekt bewegt, für alle Sensoren unsichtbar sein. Dafür entwickelte 4activeSystems sogenannte Freeboards, also selbstfahrende Plattformen, die den Dummy fortbewegen. Eine der größten Herausforderungen dabei ist, dass die selbstfahrenden Plattformen von einem Fahrzeug auch bei 100 km/h überfahrbar sein müssen und nicht versehentlich zur „Schanze“ werden. 4activeSystems hat es sich deshalb zum Ziel gemacht, die maximale Höhe der Boards bei nur 5 cm anzusetzen. Das bedeutet aber auch, dass alle eingesetzten Komponenten, ob nun Antriebs-, Steuerungstechnik oder Batterietechnologie, nicht nur auf 30-40 mm Bauraum Platz haben müssen, sondern auch mit einer sehr guten thermischen Kontraktion aufwarten müssen. Da es in den Testphasen zu einer großen Wärmeentwicklung kommt – die vom Antrieb und den Motoren abgeleitet werden muss – wird ein enormer Aufwand betrieben, um für einen absolut sicheren Betrieb der selbstfahrenden Plattformen zu sorgen.
Das neueste Highlight ist die Plattform 4active FB, ein extrem flaches Freeboard, das mittels GNSS/INS (= globales Navigationssatellitensystem) gesteuert und von drei leistungsstarken Einheiten mit 3x14 kW angetrieben wird. Was die Messtechnik bei den Freeboards betrifft, ist GNSS nicht mit dem herkömmlichen GPS, wie es etwa in einem Handy oder einem Navi eingesetzt wird, vergleichbar. Während GPS über eine Genauigkeit zwischen einem und acht Metern verfügen, ist dieses bei GNSS in einem Bereich von nur ein bis zwei Zentimetern angesiedelt. Es bietet eine sehr hohe Taktrate und ist mit einem Beschleunigungssystem kombiniert. Mit zwei GNSS-Antennen werden die Winkel der Plattform vermessen sowie die Position berechnet. Diese beiden Informationen werden für die Regelung zwingend benötigt. Beim Fahrzeug müssen bei den Tests die Kollisionspunkte in einem Bereich von +/- 5 cm eingehalten und sehr schnell nachgeregelt werden, weshalb eine schnelle Kommunikation zwischen Fahrzeug und Kontrollstation von größter Wichtigkeit ist.
Bei der Plattform 4activeFB stammen sowohl das Power Panel C70, die X20-Steuerung mit I/Os sowie die Safety-Lösungen vom Automatisierungsspezialisten B&R. Die sicheren I/O-Module der X20-Serie bieten hier ein breites Spektrum fehlersicherer digitaler und analoger Eingänge, zum Beispiel in Form eines Temperatur- Eingangsmoduls für Thermoelemente. Damit sind die Safety- Produkte insbesondere für die Einsatzgebiete von 4activeSystems, wo es zu einer hohen Wärmeentwicklung kommt, optimal geeignet. „Die Entwicklung der Sicherheitsfunktionen haben wir bei diesem Projekt in die Hände von B&R gegeben“, sagt Fritz. „Die Anforderungen an die Safetyfunktion wurden vorher festgelegt und von B&R entwickelt und umgesetzt. Das hat sehr gut funktioniert und die B&R-Komponenten erweisen sich als äußerst zuverlässig – unsere Vorgaben wurden immer zu unserer Zufriedenheit erfüllt“, sagt Fritz.
Die Zukunft des autonomen Fahrens
Langfristig sollen autonome Level-4- und Level-5-Fahrzeuge zum normalen Straßenbild gehören. Die Industrie hat sich hier auf insgesamt fünf verschiedene Levels geeinigt. Unter Level 4 wird das vollautomatisierte Fahren verstanden, das es bis zum Jahr 2022 geben soll. Das Auto bewegt sich hier schon die meiste Zeit alleine. Es parkt etwa selbstständig ein und bewegt sich alleine auf der Landstraße oder in der Stadt. Der Fahrer kann sich anderen Dingen widmen und muss nicht die gesamte Zeit das Verkehrsgeschehen im Auge haben. Das Auto ist dazu mit seiner Umwelt verbunden. Ampeln melden zum Beispiel Rot- oder Grünphasen und andere Fahrzeuge einen Spurwechsel an.
Um dies zu erreichen, müssen sich Autos untereinander verständigen und warnen können. Zudem müssen Fahrzeuge mit ihrer Umwelt kommunizieren: Ampeln müssen ihre Phasen melden, Bahnübergänge, dass sie schließen und auch der öffentliche Verkehr muss zur Gänze eingebunden werden. Ebenso müssen Polizeiund Rettungsfahrzeuge Vorrang erhalten. Die gesamte Umgebung muss also digitalisiert werden. Außerdem werden hochauflösende Karten benötigt, denn das Auto muss immer wissen, wo es gerade ist. Das klingt kompliziert und ist es auch, denn es bedeutet, dass jede Straße auf der ganzen Welt auf den Zentimeter genau vermessen werden muss. Bei Level 5 sind Autos komplett alleine unterwegs und auch nicht mehr mit einem Lenkrad ausgestattet.
Bis derartige Autos auf den Straßen auftauchen, wird es jedoch noch dauern – realistisch ist vermutlich ein Zeitraum um 2025. Autonomes Fahren wird dementsprechend für gravierende Veränderungen im Straßenverkehr sorgen. Um diese autonomen Levels zu erreichen, müssen unzählige verschiedene Verkehrssituationen getestet werden. „Im Bereich des autonomen Fahrens finden sich viele unserer Kunden, die hier forschen und entwickeln, wie Automobilhersteller und –zulieferer oder Dienstleister, die sehr renommiert sind“, sagt Fritz.
Der weitere Ausblick
B&R ist bei 4activeSystems in jedes Projekt involviert, ob nun als Partner in einem gemeinsamen Projekt oder als Komponentenlieferant. „Bei uns im Unternehmen hat B&R einen hohen Stellenwert und wir betrachten uns als Partner. Wir sind sehr zufrieden, ob es nun die Produkt- und Lieferqualität oder den Support betrifft. Außerdem versuchen wir, möglichst alles was in unseren Produkten verbaut wird, von Partnern aus Österreich zu beziehen“, sagt Fritz.
Martin Fritz Geschäftsführer, 4activeSystems GmbH „Bei uns im Unternehmen hat B&R einen hohen Stellenwert und wir betrachten uns als Partner. Wir sind sehr zufrieden, ob es nun die Produkt- und Lieferqualität oder den Support betrifft." |