Industrie 4.0 verändert den Maschinenbau – sowohl die Maschinen selbst als auch ihre Entwicklung. Welche Auswirkungen dieser Trend mit sich bringt, darüber sprechen Dr. Michael Kreis, Mitglied der Geschäftsleitung, Forschung & Entwicklung, bei Kaltenbach und Markus Sandhöfner, Geschäftsführer von B&R Deutschland.
Herr Dr. Kreis, fragen Ihre Kunden nach Industrie-4.0-Maschinen?
Michael Kreis, Kaltenbach: Nach Industrie 4.0 fragen unsere Kunden selten direkt, sehr wohl aber nach Inhalten und Features die der Definition cyber-physischer Systeme entsprechen. So stellen die Anforderungen in den Lastenheften die Integration in den Vordergrund. Alle Maschinen einer Fabrik müssen sich in die gegebene Infrastruktur einbinden lassen. Kunden fordern deshalb, dass unsere Maschinen mit anderen Maschinen sowie ERP- oder MES-Systemen kommunizieren können. Sie möchten Betriebsdaten erfassen und auf mobilen Endgeräten auslesen. Eine große Rolle spielt auch die Fernwartung. So sollen sich zum Beispiel Software-Updates aus der Ferne einspielen lassen.
Wie wirken sich diese Anforderungen auf die Entwicklung Ihrer Maschinen aus?
Kreis: Industrie 4.0 hat die Entwicklung von Maschinen nachhaltig verändert. Noch vor 5 Jahren haben unterschiedliche Software-Entwickler einzelne Programmteile geschrieben, die über ein proprietäres Protokoll miteinander kommunizieren. Heute muss die Kommunikation auf gängigen Standards basieren. Denn eines ist ganz klar: Jedes Glied muss innerhalb der Produktionskette mit vielen anderen zusammen funktionieren. Die Vernetzung wiederum eröffnet zusammen mit der Informationstechnik ganz neue Wege. Denken wir nur daran, wie das Internet unser tägliches Leben verändert hat.
Herr Sandhöfner, welchen Beitrag muss die Automatisierung leisten?
Sandhöfner: Die Vernetzung der Anlagen erfordert offene Technologien, um eine durchgängige Kommunikation zu ermöglichen. Gleichzeitig müssen sich die Maschinen auf die Produkte einstellen. Das führt zu deutlich mehr Servoachsen, um die Maschinen flexibel zu machen. Gleichzeitig entstehen mehr Zeilen an Code, da viele Funktionen an einer modernen Maschine in Software umgesetzt sind. Schließlich muss der Bediener die Maschine im Griff haben. Auch eine komplexe Maschine muss leicht zu bedienen sein. Aufgabe für uns Automatisierer ist deshalb, den Maschinenbauer optimal zu unterstützen. Er muss die Automatisierungslösung so effizient wie möglich umsetzen und sich bei der Entwicklung auf seine Wettbewerbsvorteile konzentrieren können.
Herr Kreis, was muss denn nun eine neue Kaltenbach-Maschine können?
Kreis: Sie muss ganz klar mehr können als andere Maschinen, darf aber nicht mehr kosten. Das mag phrasenhaft klingen, entspricht aber den Tatsachen. Der weltweite Wettbewerb hat stark zugenommen und setzt die Branche unter Druck. Wir positionieren uns bewusst über den Kundennutzen und die Begeisterung der Anwender für unsere Maschinen. Das ist deshalb auch die zentrale Anforderung an neue Maschinen. Um dies zu erreichen, müssen wir alle Möglichkeiten, die uns die Entwicklungs-Klaviatur bietet, ausschöpfen. Und die Musik spielt, wie Herr Sandhöfner gesagt hat, ganz klar in der Software. Am Zahnrad ist schlichtweg nichts mehr zu erfinden.
Vor welchen Herausforderungen stellt das Ihr Entwicklerteam?
Kreis: Wir müssen in Software viel mehr Funktionen umsetzen als früher. Gleichzeitig wächst natürlich die Entwicklermannschaft nicht ins Unendliche. Deshalb müssen wir die Entwicklung rationalisieren, unter anderem indem wir parallel entwickeln und die Entwicklerteams untereinander vernetzen. Entscheidend ist dabei, dass unsere Entwickler an dem arbeiten, was unsere Maschinen einzigartig macht. Sie sollen sich nicht damit beschäftigen den tausendsten Servoregler zu entwickeln. Deshalb verwenden wir dafür fertige Bausteine, die uns unser Partner B&R bereitstellt, pflegt und updated. Das gewährleistet einwandfreie Funktionen.
Sandhöfner: Im Lauf des Lebenszyklus einer Maschine entfallen rund 70% der Software-Kosten auf die Wartung der Software. Weit über die Hälfte der Zeit muss also für die Wartung von Funktionen reserviert werden, die dem Maschinenbauer ja aber von seinem Kunden nicht bezahlt wird.
Für die Entwicklung einer neuartigen Metallbearbeitungsmaschine, die das Sägen, Bohren und Fräsen von Stahlprofilen parallelisiert, haben Sie sich für mapp Technology entschieden. Weshalb?
Kreis: Die KDH 1084 hat so viele CNC-Achsen im Einsatz wie niemals zuvor in einer anderen Kaltenbach-Maschine. Wir wussten zudem, dass wir einen sehr sportlichen Projektplan vor uns hatten, innerhalb von nur 3 Monaten galt es, 20 CNC-Achsen zu programmieren. Das konnten wir in dieser Zeit nur mit vorhandenen Bausteinen umsetzen. Natürlich spielten auch die Zeitaufwände für die Wartung der Software über den Lebenszyklus eine entscheidende Rolle.
Wenn wir Ihr Entwicklerteam fragen würden, welches Fazit würde es ziehen?
Kreis: Das habe ich sogar gemacht. Ich habe mein Entwicklerteam gefragt, welche Erfahrungen sie mit mapp gemacht haben. Die Antwort lautete: Ohne mapp hätten wir es nicht geschafft. Die Jungs haben gemerkt, dass sie damit richtig viel Zeit sparen. Und wir sprechen hier nicht von 5 oder 10%, sondern von einer Verdreifachung der Entwicklungsgeschwindigkeit oder sogar noch mehr. Mit der Entscheidung für die Technologie sind am Projektende alle glücklich gewesen. Ebenso geholfen hat uns die umfangreiche Simulation der Maschine, die B&R kostenfrei bereitstellt und für die überhaupt keine Hardware nötig ist. Die Tests haben bereits am Entwickler-PC stattgefunden, wodurch sich die Zeit für die Inbetriebnahme auf ein Minimum reduziert hat.
Herr Sandhöfner, vor 1 Jahr hat B&R mapp Technology auf der SPS IPC Drives in Nürnberg vorgestellt. Welche Erfahrungen haben bislang andere Kunden gesammelt?
Sandhöfner: Derzeit wird mapp weltweit bereits in etwa 200 Applikationen für die Entwicklung von Maschinen und Anlagen eingesetzt. Die Resonanz fällt generell sehr positiv aus und bezieht sich zugleich nicht nur auf mapp. mapp stellt Entwicklern ein Framework zur Verfügung, mit dem sie erheblich schneller entwickeln und gleichzeitig die Wartung der Software vereinfachen. Auf der anderen Seite bietet B&R dem Maschinenbau mit Scalability+ ein Höchstmaß an Flexibilität, indem Maschinensoftware vollkommen unabhängig von der Hardware geschrieben werden kann. Ebenso flexibel gestaltet sich unser Hardware-Portfolio; Kunden wählen für jeden Anwendungsfall stets die passende Lösung. Die Kombination aus all diesen Aspekten generiert dann bei unseren Kunden einen immensen Wettbewerbsvorteil.
Was ist das Wesentliche?
Sandhöfner: Das Wesentliche ist das, was die Maschine von einer anderen Maschine unterscheidet. Es geht, wie Herr Kreis bereits gesagt hat, darum, Alleinstellungsmerkmale zu schaffen. Dafür brauchen die Software-Entwickler beim Maschinenbauer aber auch Zeit. Deshalb nehmen wir unseren Kunden die Entwicklungsarbeit für Basisfunktionen ab. Diese stellen wir über standardisierte Module, die sich im Feld tausende Male bewährt haben, bereit. Der Kunde konzentriert sich auf den Kundennutzen, den er mit der jeweiligen Maschine generieren möchte und mit dem er sich dann von seinen Marktbegleitern abhebt.
Wenn Sie den Kundennutzen von mapp Technology in 1 Satz zusammenfassen müssten, welcher wäre es?
Sandhöfner: mapp ermöglicht unseren Kunden, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Welche Neuheiten rund um mapp Technology erwarten uns zur diesjährigen Messe?
Sandhöfner: Speziell für die Verpackungs- sowie die Nahrungs- und Genussmittelindustrie haben wir zum Beispiel zusammen mit der OMAC den Funktionsbaustein mapp PackML entwickelt. Als erster Anbieter weltweit stellt B&R hier eine standardisierte Schnittstelle sowohl für die Fabrik- als auch für die Maschinenebene bereit. Weitere mapp-Module, die derzeit entwickelt werden, ermöglichen zur Laufzeit einfache Konfigurations- und Softwareänderungen über den Bildschirm, vereinfachen die Mensch-Maschine-Kommunikation oder unterstützen die Maschinenentwicklung mit Technologiefunktionen. Bis Anfang nächsten Jahres werden wir die Anzahl der verfügbaren mapp-Module um den Faktor 2 ausbauen.
Stahlprofile zeitsparend und ergonomisch fertigen
Bislang verursachten Säge-Bohrkombinationen für Stahlprofile hohe Stillstandzeiten, da immer nur eine der beiden Maschinen arbeiten kann. Kaltenbach hat eine neue Maschine entwickelt, die erstmals 3 Prozesse parallelisiert: sägen, bohren und fräsen. Die neuartige Anlagenbauweise steigert die Produktivität um 30 bis 80%.
Um die Applikationssoftware zu schreiben, haben die Kaltenbach-Entwickler auf mapp zurückgegriffen. Innerhalb von nur 3 Monaten haben sie eine lauffähige Antriebslösung entwickelt, die in der höchsten Ausbaustufe 40 Achsen umfasst.
Die Maschine ist modular ausgeführt und lässt sich flexibel an unterschiedliche Kundenwünsche anpassen. Das Bedienkonzept wurde ergonomisch gestaltet und sorgt für ermüdungsfreies Arbeiten. Gleichzeitig lässt sich die Bedienoberfläche intuitiv bedienen.