B&R ermöglicht mit der Integration von ABB-Robotern in sein Automatisierungssystem völlig neue Ansätze in der Maschinenautomatisierung. Wir haben mit Gregor Kumm, Head of Strategy & Portfolio Development, Robotics & Discrete Automation bei ABB, und Stefan Schönegger, Vice President Strategy and Innovation bei B&R, über dieses erste gemeinsame Großprojekt von B&R und ABB und die Auswirkungen auf die Produktion der Zukunft gesprochen.
Herr Kumm, wieso erlebt die Robotik derzeit so einen Aufschwung?
Gregor Kumm (ABB): Das liegt an den Anforderungen der Fabrik der Zukunft. Die Losgrößen werden immer kleiner und gehen hinunter bis zur vielzitierten Losgröße 1. Herkömmliche Produktionsmethoden stoßen da an ihre Grenzen. Sie sind nicht flexibel genug, um ständig wechselnde Produkte und laufende Umrüstungen effizient abzuwickeln. An dieser Stelle schaffen Roboter Abhilfe.
Stefan Schönegger (B&R): Genau das ist der Grund, warum auch unsere Kunden – hauptsächlich der Serienmaschinenbau – sich immer mehr für Robotik interessieren und wieso wir in Zukunft ABB-Roboter an unsere Kunden verkaufen werden.
Der Maschinenbauer kann jetzt auch schon Roboter kaufen, wieso braucht es einen neuen Vertriebskanal?
Schönegger: Weil es speziell für einen kleineren oder mittelständischen Maschinenbauer sehr aufwändig ist, einen Roboter zu integrieren und zu programmieren. Dafür gibt es drei Gründe: Erstens laufen innerhalb vieler Maschinen extrem schnelle, hochsynchrone Prozesse ab. Wenn diese Prozesse mit einem externen Gerät koordiniert werden müssen, ist das schwierig oder sogar unmöglich. Zweitens werden Robotikapplikationen mit Tools und Programmiersprachen entwickelt, die dem SPS-Programmierer typischerweise fremd sind. Und drittens ist ein zusätzlicher Lieferant immer mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Nun erhalten Maschinenbauer die komplette Steuerungstechnik und die Robotik aus einer Hand.
Also löst B&R mit seiner neuen Lösung das klassische Robotik-Angebot von ABB ab?
Schönegger: Ganz und gar nicht. Es gibt unzählige roboterzentrierte Anwendungen, zum Beispiel das Schweißen von Autokarosserien, welche natürlich die Domäne unserer Kollegen in den anderen ABB-Robotik-Geschäftseinheiten bleiben werden.
Wo ist für Sie dann die Trennlinie zwischen klassischer Robotik und dem maschinenzentrierten Angebot von B&R?
Kumm: Das lässt sich ganz klar sagen. Wenn der Roboter im Zentrum des Prozesses steht – so wie beim Schweißbeispiel, das Stefan Schönegger genannt hat – dann haben wir eine klassische Robotik-Anwendung. Wenn der Roboter den Prozess in einer Maschine jedoch nur unterstützt, indem er zum Beispiel defekte Werkstücke blitzschnell aus einem Produktionsprozess ausschleust, dann kommt die maschinenzentrierte Robotik von B&R ins Spiel. Auch die Kunden unterscheiden sich ganz klar: Die maschinenzentrierte Robotik zielt auf den Maschinenbauer ab, also das klassische Kundenklientel von B&R; roboterzentrierte Lösungen werden für gewöhnlich jedoch von Systemintegratoren und Endkunden eingesetzt – den typischen Kunden der Robotiksparte von ABB. ABB kann nun – gemeinsam mit dem Team von B&R – beide Anforderungen perfekt abdecken.
Wie kann ich mir den Entwicklungsprozess der neuen Lösung vorstellen?
Schönegger: Am Anfang des Prozesses stehen natürlich der Kunde und seine Bedürfnisse. Deshalb haben wir uns diese Bedürfnisse gemeinsam genau angeschaut und verschiedene Möglichkeiten erarbeitet, wie wir den Kunden am besten unterstützen können.
Kumm: Weil B&R Maschinenbauer als Kunden hat und sehr hohen Wert darauf legt, seine Kunden direkt und vollumfänglich zu beraten und unterstützen, war für uns bald klar: B&R soll für seine Kunden aus dieser Branche auch der Vertriebskanal für Robotik sein. Steuerungstechnik und Robotik sollen aus einer Hand kommen.
Welche Herausforderungen gab es dabei?
Schönegger: Wir mussten eine technische Lösung finden, wie wir die Roboter in unsere Automatisierungsumgebung bestmöglich integrieren. Noch wichtiger waren jedoch andere Fragen: Wie organisieren wir die Supply Chain? Welche Servicekonzepte bieten wir an? Mit diesen Themen haben wir uns intensiv beschäftigt, damit wir unseren Kunden eine optimale Lösung anbieten können. Ich bin überzeugt davon, dass wir das gemeinsam sehr gut hinbekommen werden.
Kumm: Technisch gesehen war die Herausforderung gar nicht so groß. Im Endeffekt geht es darum, dass die Servoantriebe von B&R optimal mit den Motoren in unseren Robotern kommunizieren können. Daran haben wir – Entwicklerteams von B&R und ABB – gemeinsam gearbeitet. Die Arbeit ist nun so gut wie abgeschlossen und wir befinden uns am Start einer intensiven Testphase.
Wann können Maschinenbauer die neue Lösung von B&R kaufen?
Schönegger: Die Testphase nimmt noch einige Zeit in Anspruch. Jede einzelne Robotervariante, die wir anbieten werden, durchläuft zuerst einen sechsmonatigen Dauertest. So können wir unseren Kunden garantieren, dass Roboter, Steuerung und Antriebssystem einwandfrei miteinander funktionieren. Das Pilotkundenprogramm startet gerade und die ersten Roboter werden Ende des Jahres in Serie verfügbar sein.
Vielen Dank für das Gespräch.