Moderne Produktionsmaschinen und -anlagen brauchen sehr viel Platz. Nur ein Bruchteil der Stellfläche dient dem wirklichen Produktionsprozess. Weitaus mehr Stellfläche wird für den Produkttransport benötigt. Es wird Zeit, die bisherigen Grenzen des Produkttransports zu durchbrechen und so eine neue Ära der Produktivität einzuleiten.
Förderbänder, Rundtische oder Transportkarusselle – zahllos sind die Methoden, um Produkte in oder zwischen Bearbeitungsstationen zu transportieren. Eins ist ihnen jedoch allen gemeinsam: Sie leisten keinen Beitrag zum eigentlichen Fertigungsprozess. Ganz im Gegenteil: Sie brauchen Platz und verringern so den Output pro m² Stellfläche.
„Der Produkttransport ist ein notwendiges Übel für Maschinen- und Anlagenbauer“, bringt es Dario Rovelli, Experte für mechatronische Systeme bei B&R, auf den Punkt. Neben dem hohen Platzverbrauch hat der konventionelle Produkttransport einen zweiten schwerwiegenden Nachteil: Er macht die Maschine unflexibel.
Es war Henry Ford, der der industriellen Massenproduktion mit dem Förderband und einem strikten Produktionstakt zum Durchbruch verholfen hat. Doch was einst die Industrie viel produktiver machte, ist nun zum Hindernis geworden. Rovelli: „Um den aktuellen Anforderungen mit ständig wechselnden und immer individuelleren Produkten gerecht zu werden, müssen wir den unflexiblen Produktionstakt loswerden.“
Flexibel mit Track-Systemen
Neue Technologien haben die Produktion in den vergangenen Jahren viel flexibler gemacht, allen voran Track-Systeme wie SuperTrak und ACOPOStrak. Sie können jedes Produkt individuell bewegen und auch als eigenständige Achse bei Bearbeitungsstationen eingesetzt werden. Zudem können Produktströme bei vollem Tempo getrennt und wieder zusammengeführt werden.
„Track-Systeme meistern eine ganz große Herausforderung“, erklärt Rovelli, „sie synchronisieren asynchrone Prozesse.“ Das heißt: Die Produktionsgeschwindigkeit muss sich nicht mehr nach der langsamsten Bearbeitungsstation richten. Langsame Prozesse werden einfach parallelisiert und machen die Maschine ohne große Investitionen wesentlich produktiver.
Individuelle Massenproduktion
„Track-Systeme ermöglichen es erstmals, die individuelle Massenproduktion wirtschaftlich umzusetzen“, sagt Rovelli. Und zwar dort, wo es eine klare Abfolge verschiedener Prozessschritte gibt, die flexibel angepasst werden können. Allerdings gibt es auch Applikationen, bei denen die Reihenfolge der Prozessschritte ständig wechselt. Diese Applikationen benötigen eine völlige Freiheit des Produktionsablaufs.
„Visionäre Vordenker haben daher seit vielen Jahren einen Traum“, sagt Rovelli: „Sie wollen den linearen Produkttransport völlig auflösen und einen mehrdimensionalen Produktionsraum schaffen – in dem sich jedes Produkt individuell von Bearbeitungsstation zu Bearbeitungsstation bewegt, ohne an einen rigiden, sequenziellen Produktionstakt gebunden zu sein.“
Kontaktlos, geräuschlos, präzise
Was lange Zeit nach einem kühnen Traum klang, wird nun durch moderne Magnetschwebetechnologie real. Shuttles gleiten wie von Geisterhand über einer Fläche und können nahezu beliebig beschleunigt und bewegt werden. „Seit ich diese Technologie zum ersten Mal im Einsatz sah, bin ich völlig fasziniert“, schwärmt Rovelli. „Sie ist kontaktlos, geräuschlos und extrem präzise. Mir war sofort klar, welch bahnbrechende Bedeutung das für die Fertigung der Zukunft haben würde. Und nun ist die Magnetschwebetechnologie so weit fortgeschritten, dass ein wirtschaftlicher Einsatz in der Produktion möglich wird.“
Die Produktion der Zukunft
Daher hat B&R die Magnetschwebetechnologie vollständig in sein Automatisierungssystem integriert und bietet mit ACOPOS 6D nun eine Technologie an, welche den Wandel vom streng linearen Produktfluss hin zu einem offenen Produktionsraum einläutet. „Wir sprechen hier von nichts weniger als einer Revolution der Art und Weise, wie Produkte in Zukunft gefertigt, assembliert und verpackt werden“, sagt Rovelli.
Seit die Diskussion um Industrie 4.0 und das Industrial Internet of Things an Fahrt aufgenommen hat, wird immer wieder davon gesprochen, dass sich das Produkt den Weg durch die Produktion selbst suchen soll. „Häufig wurde das als Hirngespinst abgetan“, sagt Rovelli, „aber nun haben wir tatsächlich die Technologie, diese Vision in die Tat umzusetzen.“ Mit ACOPOS 6D kann eine Maschine gleichzeitig unterschiedliche Produktvarianten oder sogar unterschiedliche Produkte fertigen. Jedes Produkt fährt die Stationen an, die es tatsächlich benötigt. „Das ist die Geburtsstunde der Schwarmproduktion.“
Autor: Stefan Hensel, Unternehmensredakteur