Die netzwerkbasierte Sicherheitstechnik von B&R sorgt im Friedrichstadt-Palast in Berlin während der 10-Millionen-Euro-Show The Wyld dafür, dass die Darsteller einer der derzeit aufwändigsten Bühnenshows Europas ihren Auftritt sicher absolvieren können. Mit 67 Sicherheitssteuerungen verbirgt sich hinter den Kulissen die weltweit komplexeste Sicherheitsanwendung auf Basis von openSAFETY.
Der Berliner Friedrichstadt-Palast toppt mit der neuen Show „The Wyld - nicht von dieser Welt“ alles, was in Europa bisher zu sehen war. Das Bühnenereignis reiht sich damit in die oberste Liga der international bekannten Grand Shows ein. Das Haus hat sich das Spektakel einiges kosten lassen: Über 10 Millionen Euro wurden in die Show investiert – eine Summe, von der selbst die Theater am legendären Broadway nur träumen können. Rekordverdächtig auch der Besucheransturm: Bis zur Premiere am 23. Oktober 2014 wurden bereits 130.948 Tickets vorbestellt. Nach weniger als 4 Monaten Spielzeit gingen insgesamt mehr als 250.000 Karten für „The Wyld“ über den Tresen.
Das ist aber immer noch nicht alles, was „The Wyld“ vorweisen kann. Während der interessierte Theater-Fan vielleicht weiß, dass „der Palast“ über die größte Bühne der Welt verfügt, bleibt seinen Augen ein weiterer Rekord verborgen: Gut versteckt hinter den Kulissen befindet sich die mit 67 vernetzen Sicherheitssteuerungen weltweit umfangreichste Sicherheitsinstallation auf Basis von openSAFETY und der netzwerkbasierten Sicherheitstechnik von B&R.
Bühnenelemente sicher verfahren
Die Sicherheitstechnik sorgt dafür, dass die The-Wyld-Darsteller gefahrlos auf 55 podestartige Bühnenelemente vertrauen können, deren Höhe sich während der Show verändert; die Elemente wandeln sich zum Beispiel zu Treppen um.
Dabei müssen Schaltleisten ausgewertet werden, mit der jede Trittplatte am Rand umlaufend eingefasst ist. Kommt ein Artist während der Show zu nahe an eine Kante während das Podest verfahren wird, wird dies unmittelbar an die Schaltleiste gemeldet und das betroffene Podest sowie die anderen Treppenelemente halten sofort an. Dabei muss extrem schnell reagiert werden, da die mit einem AC-Motor angetriebenen Bühnenelemente über eine Scherenmechanik in Kombination mit einer Kugelspindel mit bis zu 170 mm/s verfahren werden können.
Die Ansteuerung der elektrischen Antriebsachse und die Auswertung der Schaltleiste übernimmt pro Stufe ein programmierbarer Stage Mover, der vom Bühnentechnikspezialisten Gietec in enger Zusammenarbeit mit B&R entwickelt und gebaut wurde. Er vereint in einem Rack-Einschubgehäuse alle Elemente, die für die kontrollierte Bewegung einer elektrischen Einzelachse erforderlich sind.
Antriebsbaukasten mit integrierten Sicherheitsfunktionen
Herzstück des Stage Mover ist eine energieeffiziente Steuerung X20CP1583 mit POWERLINK-Schnittstelle und integrierten I/Os aus dem X20-System von B&R. Der CPU steht ein digitales X20-Modul SLX410 mit sicheren Ein- und Ausgängen zur Seite, das zugleich die Funktion einer Sicherheitssteuerung übernimmt. Während die integrierte POWERLINK-Schnittstelle der CPU zur Kommunikation mit der übergeordneten Anlagensteuerung verwendet wird, haben die Gietec-Ingenieure ein separates X20-POWERLINK-Schnittstellenmodul für die Anbindung des eingebauten Frequenzumrichters vom Typ ACOPOSinverter P74 genutzt. Dieser interne POWERLINK-Bus entlastet den Befehlsbus zur übergeordneten Steuerung. Der Anschluss des geberlosen AC-Motors, der die Scherenmechanik antreibt, sowie des Seilzuggebers und eines Endschalters am Bühnenelement erfolgt über einen Harting-Multistecker. Darüber hinaus muss nur noch eine Kabelverbindung zum 400-V-Netz hergestellt werden, um das Bühnenelement in Betrieb nehmen zu können.
„Dieser modulare Aufbau ist zwar nicht ohne Zusatzaufwand zu bekommen, er erlaubt es aber, dass der Stage Mover nach dem Ende der Spielzeit in anderen Shows problemlos wiederverwendet und für die Lösung unterschiedlicher Antriebsaufgaben eingesetzt werden kann“, sagt Georg Schosser, Gründer und Geschäftsführer der in der Nähe von München ansässigen Gietec GmbH.
Neben der Variante für die Ansteuerung einer elektrischen Achse gibt es den Stage Mover für die Ansteuerung einer hydraulischen beziehungsweise einer pneumatischen Achse. Sie kommen ebenfalls bei der Show im Friedrichstadt-Palast zum Einsatz.
Im Friedrichsstadt-Palast ist seit Herbst 2014 die derzeit weltweit komplexeste Sicherheitsanwendung auf Basis von openSAFETY und POWERLINK in Betrieb. 67 SafeLOGIC-Einheiten sind ohne Kaskadierung über einen einzigen POWERLINK-Backbone vernetzt und sichern in der Höhe verfahrbare Podeste und andere Bühnenelemente mit einer Abschaltzeit von 10 ms ab.
1 Softwareprojekt für 3 Hardwarevarianten
Der Steuerkopf mit der Sicherheitssteuerung inklusive sicheren I/Os ist bei allen Varianten gleich. Bei der Hardware unterscheiden sich die Varianten nur durch die erforderlichen Komponenten für die Ansteuerung des jeweiligen Achsentyps und die verwendeten X20-Module. „Obwohl es den Stage Mover in verschiedenen Hardwarevarianten für die unterschiedlichen Antriebsarten gibt, benötigen wir trotzdem nur ein Softwareprojekt“, sagt Schosser. „Das vereinfacht die Inbetriebnahme und das Änderungsmanagement der Software für uns deutlich und ist ein entscheidender Pluspunkt der B&R-Lösung.“
Für Gietec sind bei dieser Anwendung die kurzen Reaktionszeiten, die sich mit der netzwerkbasierten Sicherheitstechnik openSAFETY erreichen lassen und die hohe Flexibilität der SafeLOGIC-Sicherheitssteuerungen der entscheidende Pluspunkt, wie Schosser unterstreicht: „Die mit konventionell verdrahteter Sicherheitstechnik bei dieser Anwendung erreichbaren Reaktionszeiten in der Größenordnung von 500 ms hätten für einen sicheren Betrieb der Bühnenelemente nicht ausgereicht. Mit der Lösung von B&R haben wir trotz 55 zu überwachenden Schaltleisten und weiteren Sicherheitseinrichtungen eine Abschaltzeit von etwa 10 ms erreicht und können damit in Verbindung mit der hohen Flexibilität alle aktuellen und sich abzeichnenden Sicherheitsstandards problemlos einhalten.“
„Die mit konventionell verdrahteter Sicherheitstechnik bei dieser Anwendung erreichbaren Reaktionszeiten in der Größenordnung von 500 ms hätten für einen sicheren Betrieb der Bühnenelemente nicht ausgereicht. Mit der Lösung von B&R haben wir eine Abschaltzeit von etwa 10 ms erreicht und können damit – in Verbindung mit der hohen Flexibilität – alle aktuellen und sich abzeichnenden Sicherheitsstandards problemlos einhalten.“ Georg Schosser, Geschäftsführer der Gietec GmbH
67 vernetzte Sicherheitssteuerungen
Die Koordination der Sicherheitssteuerungen der 60 Stage Mover der Anlage in Berlin übernehmen 7 übergeordnete, kaskadierte Sicherheitssteuerungen aus der SafeLOGIC-Familie.
Trotz der auf dem POWERLINK-Backbone anfallenden großen Datenmengen ist Gietec gänzlich ohne eine Kaskadierung des Busses ausgekommen, was die Komponentenzahl und den Verkabelungsaufwand auf einem absoluten Minimum hält.
Für die Steuerung der Gesamtanlage hat Gietec auf Basis eines Panel PC 900 mit einem projiziert kapazitiven 24"-Display den Stage Controller entwickelt. Die Anwendungssoftware dieses universell einsetzbaren Steuer- und Bedienpults, einschließlich der Visualisierung sowie der Software für die Stage Mover, wurde durchgängig mit Automation Studio programmiert. In Berlin kommen 2 Stage Controller zum Einsatz, wobei einer nur Visualisierungsaufgaben übernimmt, während der zweite für die Anlagensteuerung zuständig ist. Die beiden Stage Controller kommunizieren über eine Smart-Display-Link-3-Verbindung.
„Die Unterstützung durch B&R war auch bei diesem Projekt vorbildlich“, sagt Schosser. „Wie gewohnt konnten wir bei Bedarf mit den versierten B&R-Mitarbeitern sprechen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie eine Problemlösung aufzeigen.“
Das Ergebnis hat auch die Verantwortlichen des Friedrichstadt-Palastes überzeugt und so für einige Bewegung in der Theaterwelt gesorgt.